Fontauna

ETH Zürich // 2023

  • Sven Joliat Planer

    Sandro Straube, Roger Boltshauser

    Assistenz

    Fujan Fahmi

    Landschaftsarchitektin

    Cristiano Konstruktion

    Arno Schlüter Haustechnik

Das Unterengadin liegt im Südosten der Schweiz im Dreiländereck mit Österreich und Italien. Das Haupttal mit dem Inn ist stark geneigt, eng und wild. Auf der nördlichen Innseite befinden sich die Albula-Alpen, die Silvrettadecke und Samnaungruppe. Auf der südlichen Seite finden wir die Livigno-Alpen und die Engadiner Dolomiten. Der Topografie ist es geschuldet, dass das Klima im Unterengadin von wenigen Niederschlägen geprägt ist, ähnlich wie im Wallis. Die kontinentalen Hochalpen schützen das Tal vor feuchten atlantischen bzw. insubirischen Klimaeinflüssen. Daraus heraus gewinnt der Boden für die Landschaft eine grosse Bedeutung. Es gibt eine grosse Vielfalt an verschiedenen Böden mit unterschiedlichem Feuchtegehalt, von sauer bis kalkhaltig. Daraus erhalten wir unterschiedliche Arten von Pflanzen.

In der Schlucht vom Inn gibt es eine grosse Variabilität an Gesteinen, die mit dem Gletscher und morpholigischen Bewegungen nach unten getragen wurden. Auf der sonnigen Seite überwiegt der Schiefer, auf der schattigen Seite der Dolomit, insbesondere im Nationalpark, und das Kalkgestein. Aufgrund der Lage der Schieferflächen, die Orientierung von Falten verschiedenen Alters, die durch verformte Mineralien markierte Linien lassen sich die geomorphologischen Entwicklungen ausgezeichnet verfolgen. Vor vielen Jahren bewegte sich die afrikanische Kontinentalplatte auf die europäische zu, welche ursprünglich das Urmeer, die Tethys, voneinander trennte.

Durch das Zusammenstossen wurde ein Teil der europäische Platte in das heisse Magma im Inneren der Erdkugel nach unten gedrückt. Durch die immensen Kräfte wurde ein Aufstauchen und Überlappen der Platten herbeigeführt, wodurch die heutigen Alpen entstanden sind. Speziell in diesem Gebiet rund um Scuol ist das Unterengadiner Fenster. Hier treten über weite Strecken von rund 55 Kilometern entlang des Inntals penninische Decken zu Tage.

Mit anderen Worten wird hier der tiefere Untergrund der Alpen sichtbar, der fast überall sonst von den tektonischen Decken des Ostalpins überdeckt ist und das ursprüngliche Meer Tethys zum Vorschein bringt. Der vorherrschende Bündner Schiefer kommt vor allem im südlichen Penninikum häufig zusammen mit Radiolariten und Ophiolithen vor. Diese Beobachtung legt nahe, dass der Bündnerschiefer zum größten Teil auf ozeanischer Kruste abgelagert wurde und Teil des ursprünglichen Meeresbecken bildete. Da der Bündnerschiefer aus relativ leicht verformbaren Gestein besteht, wurde er von der Überschiebung der alpinen Decken stark betroffen. Er hat dabei teilweise eine intensive tektonische Deformation erfahren, ist meist stark geschiefert, gestört und verfaltet.

Auf diese geologische Besonderheit des Unterengadiner Fensters sind die Mineralquellen zurückzuführen. Das Mineralwassewr ist von langer Zeit als Niederschlagswasser in den Boden eingedrungen und bis mehrere hundert Meter tief in die Erde gesickert. Die Gesteinsschichten, die das Wasser im Laufe der Jahrhunderte hierbei druchdringt, sind verantwortlich für den Geschmack des Mineralwassers mit verschiedensten Inhaltsstoffen wie Kalzium, Magnesium, Natrium, Eisen, Chlorid, Sulfat und Kohlensäure. Wie viel Mineralien das Wasser beinhaltet ist von dem Gestein abhängig, das es durchfliesst. Der Bündner Schiefer gibt dabei viel ab durch den hohen ph-Wert, das auf das saure Wasser trifft. Der hohe Säuregehalt des Wassers entsteht durch die Verwitterung von organischem Materialien im Untergrund. Die vorzufindende Gesteinsschichten besitzen eine Vielzahl an abgetauchte Pflanzen und Tierreste, die durch die Gesteinsmetamorphose nach unten gedrückt und konserviert wurden. Man weiss aufgrund der Kinetik, wo das Wasser ungefähr durchfliesst. Um das Alter des Wassers abzuschätzen, wird der Tritiumgehalt als Isotop evaluiert. Dieser entsteht durch die Sonneneinstrahlung auf das Wasser und besitzt eine Halbwertszeit von zwölf Jahren, da das Wasser im Untergrund keiner Einstrahlung ausgesetzt ist.

In der Region von Scuol entspringen über 25 solche hochmineralisierte Quellen. Seit dem Mittelalter waren die Heilquellen in der Umgebung von Scuol mehrfach beschrieben worden, unter anderem von Nicolin Sererhard als “das berühmte und kostbare edle Salzwasser”. Sie gehören zu den höchst mineralisierten Quellen Europas und wurden von den Einheimischen wie Gästen zu therapeutischen Zwecken genutzt. Das “Heilwasser” wurde zunehmend exportiert und eine Kommerzalisierung wurde zur Zeit des Booms eines Kurwesens vorangetrieben, wodurch ein lukratives Geschäft erwartet werden durfte. Über den Quellfassungen liess man Hütten errichten, um die Brunnen vor Verschmutzung zu schützen und den Kuranten einen wetterfesten Raum zum Ausschank des Wassers anzubieten. Gleichzeitig waren mit der Verbesserung der Verkehrswege neue Voraussetzungen gegeben. 1860 erfolgte die Gründung der Tarasp-Schulser-Gesellschaft (TSG) mit dem Zweck, bei den Heilquellen am Inn einen Kurbetrieb zu etablieren, der es mit den Modebädern der damaligen Zeit aufzunehmen vermochte. Vorrangiges Ziel war der Bau eines Kurhauses, das hinsichtlich Grösse und Ausstattung auf die Bedürfnisse einer internationalen Klientels ausgerichtet war. Für das Bauvorgaben bot das zwischen Fels und Fluss eingezwängte Gelände bei den Quellen selbst keinen Platz. Als Baugrund kam nur die Ebene des ehemaligen Hof Neyrs [Nairs] in Frage. Zur Ausarbeitung wurden der Ingenieur Ulysses Rudolf von Gugelberg von Moos (1809-1875) und der Architekt Felix Wilhelm Kubly (1802-1872) beigezogen. Die Bauarbeiten am «Bad Tarasp» begannen 1861. 1864 fand die Teileröffnung, 1865 die Gesamteröffnung statt. In kurzer Zeit sollte es zu einer der bedeutendsten Kuranlagen der Schweiz avancieren.